Ebru-Kunst
Auch wenn man die Anfänge der Ebru Kunst historisch nicht exakt datieren kann, stößt man auf
ähnliche Kunsttechniken im Bereich der Aufarbeitung von Papier bereits im 13.Jahrhundert. Man
geht davon aus, dass türkische Stämme aus Zentralasien die Ebru Kunst mit nach Anatolien
(Türkei) brachten.
Insbesondere in der Zeit des osmanischen Reiches wurde diese Kunst vertieft und ausgefeilt, bis
sie letztlich die Gestalt annahm, wie wir sie heute kennen. Aus dem damaligen osmanischen Reich
wurden wichtige Schriftstücke auf solch Ebru verziertem Papier nach Europa versandt und
erlangten Ruhm als das „Türkenpapier“.
Das älteste Ebru, welches bisher aufgefunden wurde, stammt aus dem Jahre 1519 und wird heute in
Istanbul im Topkapi Palast Museum ausgestellt.
Das Wort Ebru stammt aus dem persischen „Ebri“ was so viel bedeutet wie „wolkig“. Dies ist
darauf zurückzuführen, dass die in der Ebru Kunst entstehenden Formen einer Anhäufung von Wolken
ähneln. In der Vergangenheit fand man diese Kunst ausschließlich in Verbindung mit anderen
Künsten vor.
Beispielsweise wurde Ebru Papier mit Kalligraphie (Hat Sanati) beschriftet. Oder man nutzte Ebru
Papier bei der Buchbindung. Dabei wurden die ersten und die letzten Seiten eines Buches mit Ebru
Papier geschmückt.
Heute spricht man von Ebru als eigenständige Kunst, die in Form von marmoriertem Papier Ausdruck
findet.

Wie entsteht ein Ebru?
Dafür benötigt man eine für die Ebru Kunst eigene Wanne in rechteckiger Form. Diese wird mit Wasser befüllt und mit einem natürlichen Pulver angemischt. Dieses Pulver besteht aus rein natürlichen Stoffen wie z.B. Traganth, Carrageen, Leinsamen oder aus dem Salepkraut. Das Pulver sorgt dafür, dass das Wasser dicker wird. Die Konsistenz des Wassers ist bei der Arbeit mit Ebru Kunst ausschlaggebend. Nur bei einer optimalen Konsistenz können adäquate Werke entstehen. Die genutzten Farben basieren auch auf natürlichen Inhaltsstoffen. Diese werden meistens durch Erde oder Gestein gewonnen. Ein weiteres wichtiges Material zur Herstellung von Ebru ist das „Öd“ (Gallenflüssigkeit vom Rind). Die Pinsel werden vom Künstler selbst hergestellt und bestehen aus Rosenstielen, die an der Spitze mit Pferdehaar gebunden werden. Mit den Pinseln wird die Farbe aufgenommen und in das in der Wanne befindliche Wasser getupft. Im Anschluss werden mit Metalstäbchen- sogenannten „Biz“- Muster geformt. Schließlich wird ein Blatt Papier auf das mit Farben besetzte Wasser gelegt. Nachdem das Muster von der Wasseroberfläche auf dem Papier haftet, wird letzteres vorsichtig herausgenommen und zum Trocknen beiseite gelegt.

Stile
In der klassischen Ebru Kunst gibt es unterschiedliche Stile mit verschiedenen Formen und
Farben.
All diese Stile haben ihre eigenen Namen wie z.B. battal, tarakli, cicekli, hatip,
akkase und
weitere.
In den Islamischen Künsten steht nicht die Zweckmäßigkeit der Kunst im Vordergrund, sondern sie
ist lediglich ein Hilfsmittel. Die Kunst wird eingesetzt, um Allah dem Erhabenen näher zu
kommen. Außerdem dient sie als Therapie in der traditionellen Medizin für seelische
Erkrankungen.
Ebru und andere künstlerische Bereiche wie die traditionelle islamische Musik, Tezhip
(islamische Ornamentik) und Hat (islamische Kalligraphie) können die Seele und das Herz des
Menschen erweichen lassen. Man erlernt Fähigkeiten wie Geduld, Selbstbeherrschung und
Konzentrationsfähigkeit. So wie die Kunst Einfluss auf die menschliche Seele nimmt, so wirkt
auch die seelische Verfassung des Künstlers auf das Kunstwerk ein.
Jedes Ebru ist unvergleichlich und einzigartig. Ein zweites Exemplar ein und desselben Ebrus
anzufertigen ist unmöglich. Es nimmt jedes Mal eine andere Form an. So wie der Mensch; er ist
einzig und unverwechselbar. So wie ein alter Ebru-Meister einmal sagte: „Ebru ist wie Magie.
Manchmal gelingt sie, manchmal nicht.“
Der Künstler lässt die Farbe in die Wanne tropfen, doch hat er das Ergebnis nie gänzlich unter
Kontrolle. Das Ergebnis unterliegt dem Willen Allahs! Diese Tatsache gleicht der Art und Weise
wie der Islam das menschliche Leben beschreibt. Der Mensch kann lediglich einen Schritt wagen,
die Initiative ergreifen und einen Anfang machen. Doch so sehr wir uns auch bemühen- nie können
wir das Ergebnis unserer Anstrengungen vollends kontrollieren. Es gibt so viele Faktoren, die
Machtlosigkeit in uns hervorrufen und auf die wir keinen Einfluss haben; in diesen Momenten
sollten wir einfach auf Allah vertrauen und uns fallen lassen.
Blumen stehen für bestimmte Symbole in der islamischen Geschichte. Im islamischen Sufismus
interpretierten die Gelehrten diese Symbole auch mit der Beschaffenheit und Eigenheit der
Blumen. Beispielsweise repräsentiert die Mohnblume Reinheit und die Tulpe „steht“ mit erhobenem
Haupte wie der arabische Buchstabe „Elif“. Die Tulpe ist ein sehr wichtiges Element in der
islamischen Kunst. Sie symbolisiert die Einzigkeit von Allah. Denn eine einzige Tulpenblüte
ensteht aus einer Wurzel und einem Stiel. Es kommt niemals vor, dass aus einem Zweig zwei Tulpen
entstehen. Die Tulpe steht für den „Tawhid“- den Glaubenssatz, welcher die Grundlage des Islams
darstellt. Die Rose hingegen symbolisiert den Propheten Mohammed (Friede und Segen auf ihm). Der
Vergleich ist sehr treffend, wenn man bedenkt, dass die Rose mit ihrer Schönheit über allen
Pflanzen steht und der Prophet als der vollkommenste aller Menschen gilt.
Der große Unterschied zwischen der westlichen und der islamischen Kunst ist, dass in letzterer
die Natur niemals identisch kopiert oder nachgeahmt wird. Ziel ist es stets, die Natur zu
mystifizieren und so in die Kunst zu adaptieren. Dies geschieht mit voller Absicht. Denn der
Schöpfer des Universums ist einzig Allah und dem Künstler sollte es widerstreben sich mit Ihm zu
messen. Um also nicht den Anschein zu erwecken, sich mit dem Schöpfer auf eine Stufe stellen zu
wollen, sondern um immer im Bewusstsein der eigenen Grenzen und Einschränkungen zu handeln,
verwendet der Künstler Symbole und mystifizierte Abbildungen in seinen Werken. Auf diese Weise
drückt der Künstler aus, dass er nicht ansatzweise an die Vollkommenheit der Schöpfung Allahs
heranzukommen vermag. Genau mit dieser Demut versucht der Künstler seinen Werken Gestalt zu
verleihen.
